Gregor Berghausen (Jg. 1968) ist Vorstandsmitglied der Porzer Bürgerstiftung und im beruflichen Leben Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Er engagiert sich seit vielen Jahren auf unterschiedlichen Ebenen für Porz, ist bestens vernetzt und hat eine Reihe von Projekten ins Leben gerufen. Eines der wichtigsten aktuellen Projekte: Die Bürgerstiftung finanziert für Porzer Grundschulen jeweils Klassensätze des Lerncomputers Calliope mini, der Schülerinnen und Schüler spielerisch ans Programmieren heranführt.
Mit Gregor Berghausen treffe ich mich an der GGS Unter Birken in Eil, der die Bürgerstiftung einen Klassensatz Lerncomputer gespendet hat. Im Gespräch ist deutlich zu spüren, wie sehr ihm Bildung am Herzen liegt – insbesondere die Digitalisierung und faire Chancen.
Wie geht es Porz in der Krise?
Auch in meinem beruflichen Umfeld habe ich die Erfahrung gemacht, welche deutlichen Spuren die Krise bei vielen Unternehmen, aber auch Arbeitnehmer*innen hinterlassen hat. Und das ist auch die Realität in Porz. Da sind viele, die erhebliche Probleme haben, wieder wirtschaftlichen Boden unter die Füße zu bekommen. Die Soforthilfen haben manchem/r Unternehmer*in oder Selbständigen geholfen, genauso wie das Kurzarbeitergeld, aber es ist ganz klar: Das dicke Ende kommt noch.
Wie sieht es bei der Bürgerstiftung aus?
Für mich als Vorstandsmitglied der Porzer Bürgerstiftung ist natürlich die Stiftungsarbeit deutlich eingeschränkt. In den letzten Tagen vor dem Lockdown haben wir noch eine Schulung für unser Calliope-Projekt gemacht, das Digitalisierung in die Grundschulen bringen will. Wir haben vor zwei Jahren, als wir dieses Projekt gestartet haben, kaum ahnen können, wie wichtig dies alles werden würde. Ich glaube, für die Porzer Schulen, die sich schon daran beteiligt haben, war manches in den letzten Monaten etwas einfacher. Aber natürlich fehlt im Moment die Netzwerkarbeit und damit die Möglichkeit, neue Stifter*innen und Projektmittel zu generieren.
Wie viele Schulen habt ihr bislang ausgestattet?
Derzeit sind es fünf Schulen. Unser Ziel ist es, dass alle 13 Grundschulen in Porz ausgestattet werden. Wir wissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen: Um die Faszination der MINT-Fächer möglichst vielen Kindern näher zu bringen, muss der Impuls vor der Pubertät kommen. Aktuell ist das Thema Digitalisierung in aller Munde. Wir haben durch die Corona-Krise jetzt alle gesehen, wie das geht. Calliope kann dabei helfen, einer Schul-Digitalisierung einen Impuls zu geben. Die Problematik ist übrigens nicht das Geld. Wir finden bei jeder Schule, die Interesse hat, einen Partner – da bin ich mir sicher. Aber es braucht auch eine entsprechende Anzahl von Lehrer*innen, die bereit sind, als Opinion Leader im Kollegium zu arbeiten.
Wie sind eure Erfahrungen in den fünf Schulen?
Die, die es einsetzen, sind begeistert. Deswegen wollen wir auch die anderen Schulen informieren.
„Wir wollen der erste Stadtteil sein, in dem alle Schulen mit Calliope mini ausgestattet sind.“
Das ist unser Ziel: Es gibt im Moment bundesweit noch keine Stadt und noch keinen Stadtbezirk, in dem alle Schulen mit Calliope Mini ausgestattet sind. Wir wollen der erste Stadtteil von Köln sein – und der erste Stadtbezirk bundesweit! – in dem alle Schulen ausgestattet sind.
Wie geht ihr dabei vor, sprecht ihr Lehrer*innen gezielt an?
Das Beste ist immer, über Lehrer*innen zu gehen. Lehrer glauben nicht dem Vorstand einer Bürgerstiftung, sondern Lehrer glauben in erster Linie Lehrern. Und darüber funktioniert es. (Lacht) Die Schulleitungen finden es untereinander toll und berichten gerne von ihren Erfahrungen. Unser Förderansatz passt gut, denn für die meisten Fördervereine wäre die Erstausstattung einschließlich der Schulungen finanziell ein zu großer Schluck aus der Pulle. Ohne Schulungen macht Calliope aber keinen Sinn. Dann bleibt es oft ein Instrumentarium, das nicht genutzt wird. Für uns ist Nachhaltigkeit wichtig.
Welche Missstände sind durch die Krise deutlich geworden?
Gerade die Porzer Bürgerstiftung kümmert sich um Projekte für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Ich bin mir absolut sicher, dass die letzten drei bis vier Monate dauerhafte Spuren in der Entwicklung vor allem der benachteiligten Kinder und Jugendlichen hinterlassen werden. Da ist die Politik wirklich gefragt, um hier Maßnahmen vor allem in der Bildungs- und Betreuungsarbeit zu initiieren.
„Ich bin mir absolut sicher, dass die letzten drei bis vier Monate dauerhafte Spuren in der Entwicklung vor allem der benachteiligten Kinder und Jugendlichen hinterlassen werden.“
Wahrscheinlich wird uns dort auch mit der Porzer Bürgerstiftung in diesem Themenfeld die Arbeit in den kommenden Jahren nicht ausgehen.
Du sprichst einen wichtigen Punkt an, die soziale Schieflage: Schüler*innen, die zu wenig technische Ausstattung zu Hause hatten, sind noch weiter zurückgefallen.
Wir müssen in Porz darauf achten, dass wir diese Kluft nicht größer werden lassen. Das Thema wird über Corona hinaus bleiben. Eigentlich ist genug Geld da.
„Es braucht Netzwerke in Porz, die wie die Trüffelschweine nach Fördermitteln suchen.“
Wichtig ist, dass wir es schaffen, die vorhandenen Fördermittel auch wirklich für Porz zu erschließen. Da ist echt noch Luft. Es braucht Netzwerke in Porz, die wie die Trüffelschweine nach Fördermitteln suchen. Das ist mühselig.
Warum ist die Aufmerksamkeit für das Thema bisher noch so gering?
Ich glaube, das liegt an der Wahrnehmung in Porz. Wir wollen – auch in Abgrenzung zum restlichen Köln – stolz sein auf unser Porz und vergessen dabei, dass es auch bei uns an manchen Stellen hakt. Wir müssen da viel mehr die Solidarität und den Gemeinsinn, der die Porzerinnen und Porzer auszeichnet, aktivieren.
Wer müsste in einem solchen Netzwerk für Bildungsarbeit vertreten sein?
Auf der einen Seite die Träger der Kinder- und Jugendhilfe, auf der anderen Seite alle, die im Umfeld von Bedarfsgemeinschaften unterwegs sind. Die wissen häufig wenig voneinander. Und es braucht ein Netzwerk mit den Schulen, um in der Lage zu sein, die Bedarfe zu identifizieren, und einen Pathfinder zu haben, der weiß, wo es die Möglichkeit gibt, an Geld zu kommen. Das ist im Moment sehr unabgestimmt. Selbst die Vertreter von unterschiedlichen Trägern und unterstützenden Institutionen und Vereinen wissen wenig voneinander. Als Bürgerstiftung merken wir das in unseren Förderaktivitäten.
Die Initiative für ein solches Netzwerk wäre eine gute Aufgabe für einen Bezirksbürgermeister.
Ja, für einen Bezirksbürgermeister als Initiator und entsprechende Fachleute im Hintergrund. Wichtig wäre, solche Netzwerke anzustoßen und so zu organisieren, dass es jemand verantwortungsvoll leitet. Und natürlich auch selbst dabei zu sein. Im Endeffekt: Weniger Einzelmaßnahmen und mehr Konzept.
Was sind deine ganz allgemeinen Eindrücke, was wir in Porz nach der Krise brauchen?
Es ist gut, dass sich die Politik im Moment darum kümmert, dass möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Wirtschaft wieder hochfährt. Die wirkliche Herausforderung liegt allerdings darin, den Gesundheitsschutz für die Risikogruppen noch für eine längere Zeit unter diesen Pandemie-Bedingungen zu sichern und vor allem die mit dem Lockdown verbundenen sozialen Verwerfungen auszugleichen.
Auf allen Ebenen von Kommune, Land und Bund brauchen wir jetzt mächtige Investitionen in Bildung. Neben der Infrastruktur und der digitalen Ausstattung geht es um Mittel für Integration und gesellschaftliche Partizipation. Porz ist da – glaube ich – ein Musterbeispiel mit dörflichen, sehr unmittelbaren Strukturen, aber auch sehr großstädtischen Herausforderungen. Und hier gibt es wirklich erheblichen Investitionsbedarf! Als Porzer Bürgerstiftung werden wir uns inhaltlich aber auch mit konkreten Projekten beteiligen. Ehrenamt kann sicherlich viel, aber gerade jetzt braucht es auch eine zupackende Unterstützung durch Politik und Verwaltung.
An welchen Stellen würdest du da ansetzen?
Im Moment habe ich das Gefühl, dass wir in die alten Strukturen zurückfallen. Aktuell sind wir zum Beispiel schlecht darauf vorbereitet, dass es auch in Zukunft Hybrid-Unterricht in der Schule geben könnte. Da kommt viel zu wenig, auch viel zu wenig „Change of Mindset“. Wir brauchen eine neue offene Einstellung gerade im Bildungsbereich, wenn jetzt Schulen und Kitas wieder normal an den Start gehen. Gerade in Nordrhein-Westfalen wird sehr stark darauf gesetzt, dass alles so bleibt, wie es ist.
Es wirkt eher so, als wollte man sich zurückretten in die Zeit vor Corona und keinen der technischen Fortschritte aufgreifen und einsetzen.
Genau. Eine Fragestellung ist zum Beispiel, ob das Angebot einer Schul-Lernplattform – wie Logineo in NRW – ausreicht. Mit der reinen technischen Ausstattung sind die Voraussetzungen geschaffen.
„80 Prozent des Unterrichts werden digital vorbereitet, aber noch nicht mal 5 Prozent wird auch unter Berücksichtigung von digitalen Tools gehalten.“
Das macht nur Sinn, wenn es bei dem einzelnen Lehrer im Sinne der methodisch-didaktischen Konzeption seines Unterrichts auch ankommt. 80 Prozent des Unterrichts werden digital vorbereitet, aber noch nicht mal 5 Prozent wird auch unter Berücksichtigung von digitalen Tools gehalten. Die meisten Lehrer bereiten ihren Unterricht unter Zuhilfenahme von YouTube, Google, digitalen Lernmaterialien und so weiter vor. Aber in welcher Form lassen Sie ihre Schüler an diesem Prozess teilhaben? Bisher noch relativ wenig.
Was nimmst du Positives aus der Krise mit?
Ich bin mir sicher, dass durch die Corona-Krise eine neue Nähe zu dem persönlichen Umfeld entstanden ist, die wir jetzt in den gesellschaftlichen Gruppierungen von Vereinen und Stiftungen auch nutzen müssen. Meine Hoffnung ist, dass wir uns bewusst geworden sind, wo die Handlungsfelder liegen. Und dass wir dadurch mehr gesellschaftliche Partizipation und noch stärker den Gemeinsinn aktivieren.